Stuttgarter Zeitung Aus Baden-Württemberg 15.6.1998

 

In Ladenburg lebten die Römer recht luxuriös

Olivenöl aus Spanien, Austern, Bäder - Vor 1900 Jahren erhob Trajan das Kastell zur Stadt

Von unserer Mitarbeiterin Johanna Eberhardt

LADENBURG, Rhein-Neckar-Kreis. Frisches Fleisch, Getreide, Butter und Käse bezogen sie von den Gutshöfen der Umgebung; die Austern kamen - in Salzwasser gelagert - vom Atlantikkanal, das Olivenöl aus Andalusien. Auch fern der Hauptstadt ihres Weltreichs ließen es sich die alten Römer gutgehen. Wie gut, das kann man in Lopodunum, dem heutigen Ladenburg, unweit von Heidelberg und Mannheim studieren.

Seit dem vergangenen Jahrhundert erforschen die Archäologen in dem schönen mittelalterlichen Städtchen römische Spuren und Hinterlassenschaften. Und immer mehr tritt dabei, wie der Archäologe Berndmark Heukemes erklärt, ¸¸ein unerhörter Luxus zutage''. Für das römische Forum von Lopodunum mit seiner riesigen Marktbasilika etwa, meint er, ¸¸wird es nördlich der Alpen wenig Vergleichbares geben''. Als seinen bedeutendsten Fund ordnet der ehemalige Abteilungsleiter des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg, der bis zu seiner Pensionierung 50 Jahre lang unzählige Grabungen in Ladenburg leitete, einen römischen Bronzeschatz ein. Er kam 1977 beim Neubau einer Schule zum Vorschein und schmückte vermutlich einmal ein riesiges Prunkportal eines Gebäudes der Stadt.

Auch nach Einschätzung des Stuttgarter Landesdenkmalamts gewinnt das historische Ladenburg zunehmend an Bedeutung. Aus Sicht der Forschung werde es immer mehr zu einem römischen Oberzentrum im Sinne einer Bezirkshauptstadt; allein von der Größe und der Menge der Funde her hebe es sich ¸¸um eine halbe Stufe über andere römische Hauptorte in Südwestdeutschland wie etwa Wimpfen oder Rottenburg hinaus'', erklärt der zuständige Referatsleiter des Amtes, Sebastian Sommer. So besaß Ladenburg schon zu Beginn des ersten Jahrtausends ein riesiges Theater.

Mit vermutlich rund 5000 Plätzen und einer 90 Meter breiten Bühne war es nach Angaben Heukemes' doppelt so groß wie das von Pompeji. Die ersten fünf Reihen seien für die wohlhabenden römischen Ratsherren bestimmt gewesen, die in den Provinzen ihre Karrieren beförderten. Außerdem gab es ein oder wahrscheinlich zwei Bäder, das bereits erwähnte große Forum mit seiner gewaltigen Marktbasilika für öffentliche Veranstaltungen, Versammlungen und Gerichtsprozesse, dazu einen imposanten Palast mit Fußbodenheizung und wahrscheinlich auch einen Tempel. Die Archäologen fanden eine große Jupitergigantensäule und unterirdische Heiligtümer des damals beliebten Mithraskults. Reste von Privathäusern mit beachtlichen Grundrissen zeugen vom Wohlstand der Bewohner, ergraben wurden auch Überreste zahlreicher Handwerksbetriebe, unter anderem eine Bronzegießereiwerkstatt und Töpfereien und Teile einer insgesamt fast drei Kilometer langen Stadtmauer. Eine lange Zeit als ¸¸mansio'' - eine Art Gästehaus oder Großhotel - eingeordnetes Gebäude, auf dessen Reste man bei Grabungen 1977 gestoßen war, könnte nach heutiger Einschätzung der Fachleute ein zweites Forum gewesen sein. Das Hauptforum, dessen erster Teil schon 1911 entdeckt worden ist, war 184 mal 130 Meter groß, die Basilika 47 mal 73 Meter; die Archäologen gehen allerdings davon aus, daß die Anlage möglicherweise nie ganz fertiggestellt wurde. Rund 40 bis 50 Hektar groß war das römische Ladenburg, zu neun Zehnteln liegt es verborgen unter dem heutigen mittelalterlichen Stadtkern; nur wo gebaut wird, haben die Archäologen eine Chance, seine Geschichte weiter zu erforschen. Als eine von Sümpfen umgebene Insel an einem Seitenarm des Neckars gelegen, war der Ort schon in der Keltenzeit für eine größere Siedlung genutzt worden. Seine römische Laufbahn begann zu Zeiten von Kaiser Vespasin vermutlich im Jahr 75. Damals legten die Römer zum Schutz der Straße vom südlichen Oberrhein nach Mainz eine ganze Kette von Kastellen an, zwei davon in Ladenburg.

In der Regierungszeit Kaiser Trajans, der zuvor ab 97 als Statthalter der Rheinprovinzen amtierte, begann der Abzug der Truppen und der Aufbau des neuen Verwaltungsbezirks Civitas Ulpia Sueborum Nicretum - benannt nach dem Kaiser, Ulpius Trajanus, selbst und den in der Gegend angesiedelten Neckarschwaben - mit Lopodunum als Hauptort. Da Trajan wahrscheinlich 98 in Ladenburg Station machte, begeht man hier offiziell in diesem Jahr den 1900. Geburtstag der Stadt.

Nach dem neuesten Stand der Wissenschaft feiert man damit möglicherweise ein paar Jahre zu früh. Ausgerechnet die intensive Auseinandersetzung mit dem anstehenden Jubiläum hat die Archäologen des Landesdenkmalamts nämlich zur Überzeugung gebracht, daß die eigentliche Stadtgründung in Ladenburg erst einige Jahre später erfolgt sein könnte, nämlich nach dem Ende der Kriege Trajans in Dakien im Jahr 106. Da es keine wirkliche Gründungsurkunde gebe, werde man sich bei der Festlegung dieses Datums allerdings immer auf der Ebene eines Indizienbeweises bewegen, erklärt Sommer.

Das Ende Lopodunums begann 233 mit einer ersten Zerstörung durch die Alamannen, denen 260 eine zweite folgte. Um 360 brachte Kaiser Valentinian I. die Civitas noch einmal unter römische Herrschaft - deren letzter Zeuge ist ein mächtiger Burgos, eine mit einer Schiffslände ausgestattete Festung am Neckar. ¸¸Allerhand Antiquiteten und Stein, so in Weingärten und Aeckern herumb gefunden werden, beweisen genugsam, daß die Römer auch allhie ihre Stationes, Läger, Castell und Vestungen gehabt haben'', notierte im 17. Jahrhundert Matthäus Merian über Ladenburg.

Zu besichtigen sind deren Spuren heute vor allem im Lobdengaumuseum der Stadt, in dem sich auch ein echter Brunnen aus Lopodunum befindet. Bis Ende September gibt es außerdem eine kleine Ausstellung des Landesdenkmalamts im Rathaus unter dem Titel ¸¸Lopodunum 98 - Vom Kastell zur Stadt''.